Zwei Aphorismen

Brexin

Wer glaubt, man könne nur über Dinge schreiben, also so im Literatur-Sinn, die man auch tatsächlich erlebt hat, hat wohl noch nie erlebt, wie es ist, Literatur zu einem Thema zu schreiben, das einem gar nicht betrifft.



Brexit

Gelitten 

und über Shit gestritten

doch jetzt bitten

sie uns,

die Briten

zu splitten

Nach der Wahl

Plötzlich waren sie alle Nasen, nur Nasen.
Unterlöcherte Pyramiden, durch die wahlweise Sauerstoff oder Lebensenergie fliesst, einige trugen bei Claire's gratis gestochene Bowlingbälle aus leichten Metallen, andere ergossen immer wieder Grün.
Wieso es so gekommen war, wussten sie nicht, an früher erinnerte sich niemand; Wissen und Erinnern sind eh Aufgaben eines überdimensionierten Nervenknotens, der ihnen ja bekanntlich jetzt abging, trotz des feinen Netzes, das noch da war.
So atmeten sie weiter, doch die Verbzusätze "ein" und "aus" wollten nicht mehr recht passen.

Review dieses Blogs*

"Der Wert von 7/10-Dingen ist die Schwelle, die sie symbolisieren. Den stepping stone. Das Aufwärmen. Muss man aushalten." (3.5 von 5 Sternen)

*und des Schreibprozesses

kein Sachtext

Die Geschwister machten sich einen Spass daraus, Dinge nur über die Abwesenheit ihres Gegenteils zu beschreiben, zu definieren gar, wenn sie angetrunken waren.

Es begann, objektiv gesehen, ganz einleuchtend: "Glück ist die Abwesenheit von Unglück", rief die Schwester. "Gesund sein heisst nicht krank sein", antwortete der Bruder.

Doch dann, es donnerte im Dorf, quoll das Fass über.

"Demokratie ist, wenn die Menschen nicht depressiv sind."

"Liebe ist die Abwesenheit von Doomscrolling."

"Dein Argument ist die Abwesenheit von Sinn."

"Freundlichkeit ist nicht du."

"Ein smarter Mensch ist dein negatives Spiegelbild."

Das Ende dieser Geschichte ist, man muss das so sagen, nicht einleuchtend. Und auch nicht durchdacht, wenn wir ehrlich sind.

Betrachtung über die Kunst

Schreiben ist Therapie weil es immer Entscheidung ist Fuck Word oder eher Backspace

Meine und deine Zeit

Über den Tannen schwirren die Helikopter, sie versuchen das klirrende Feuer zu löschen, die Massen zu bändigen, den Folgen des Bebens zu begegnen, das die Realität erschüttert hat.

Seit dem grossen Zittern haben sich die Linien verschoben, auch politisch, auch in den Kleinfamilien. Fische machen Jagd auf Kaninchen, man bremst zum Überholen, M-Budget bei Coop.

Und nun eben: Die Helikopter. Der Graf hat sie gesandt, er glaubt nämlich nicht an die Ständeklausel und will wieder zurück in sein Büro. Guerillagruppen sabotieren alle Versuche im Wald, werfen Granaten voller Blumen, es sind die neuen Konservativen.

empathie

es tut so weh, andere Menschen zu sehen, die das Gleiche durchmachen müssen. nimmt dem Ganzen einfach die schreiende Dramatik, Salzstreuer gefüllt mit trostloser Banalität.

notwendig

KANN ICH
JEMALS
WIEDER
LODERN?,
FRAGT
SICH DIE
STABILE
MAUER.
NEIN, DU
BIST GE-
BRANNT,
ALSO DEINE
STEINE.

Abnutzungserscheinung

Nach ihrem fünfunddreissigsten Geburtstag, die warnenden Stimmen der Freunde im Kopf, begann sie sich jeden Morgen abzutasten, sorgfältig zwar, aber auch so halb ironisch.

Jedes Kopfweh deutete sie als Zeichen für das Älterwerden, für den hinter ihr gelassenen Zenith, aber auch das immer so halb ironisch. 

Etwa drei oder vier Jahre später nutzten sich diese ständigen Vorsichts- und Angstmassnahmen leider ab. Ich sage leider, da sie einen dunklen Fleck auf dem Arm übersah und der Rest ist eine Geschichte des Abstiegs.

Auf dem Weg warf sie immer wieder traurige Blicke zum Zenith, der erst von hier unten tatsächlich sichtbar geworden war, aber auch das tat sie so halb ironisch.

Welche Sprachmelodie die Trauerrede trug, kann man sich denken.

Toxische Taten

All die Bildschirme raunten ihm zu, er solle doch bitte weniger Bildschirme konsumieren und sein Gewissen, sein Gewissen sank auf den Grund des tiefen Meeres, unter Druck.

Anglerfische verführten es, während er noch immer damit kämpfte, Medium und Message zu trennen, durchatmen, tief, progressive Muskelrelaxation des Gehirns, geh joggen, Zucker zurück und ja verdammt wieso fühle ich mich jetzt besser, das ist doch nicht fair, sagt der Anglerfisch, als vor ihm ein weiteres Milliardär-U-Boot-Wrack auf den Sand knallt.

Den Kontext mitdenken

Ein schöner Herbsttag ist eine Zugabe.

Ein schöner Frühlingstag ein Spoiler.

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Auf einer Wiese lagen drei Kinder, die kein Zuhause mehr hatten, und liessen sich von der Sonne die kalten Finger wärmen. "Wir können über alles reden!", sagte das dicke Kind.

Das war nicht gelogen: In der Nacht hielten sie sich mit Geschichten und Debatten warm, wenn das Holz mal wieder feucht vor ihnen lag. Sie sprachen über Träume, Familie, Pizza und Gott - nur nie darüber, weshalb sie kein Zuhause mehr hatten. Das wollten sie nicht besprechen, das gehörte vergraben in der gefrorenen Erde.

Am Dienstag wurde das kleine Kind geholt - von einem Mann im Mantel, der eine Lebensversicherungspolice unter seiner Nase hin- und herbewegte.